Autor | Elfriede Jelinek |
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Verlag | RHOMBUS VERLAG |
ISBN | 978-3-85394-023-4 |
Seiten | 90 |
Hörroman
mit Bildern von
Robert Zeppel-Sperl
bukolit und bukolita, das ist die erotische geschichte vom sprachstrom und den metamorphosen der sprachgestalten. innerhalb eines künstlichen textuniversums beginnen bilder ihre klischees zu entwerfen und aus den wirklichkeiten der zweiten hand verselbständigte poesie zu entfalten. sexuelle und gewalttätige pornographie werden für elfriede jelinek zum anlaß ihrer écriture automatique. surrealismus und pop-kultur fließen in wechselseitigem kommentar ineinander und produzieren durch fulminante feuerwerke der sprache einen handlungs-film im kopf, einem kopf, der geschlechtsspezifische phantasien aufbaut und verbale rituale freisetzt.
zu dieser prosa, die sich herkömmlicher beschreibung und interpretation entzieht, hat zeppel-sperl eigenständige und der sache dienende bilder geschaffen, die den sprachlichen kosmos um die optische dimension bereichern.
Ist der Romanheld bukolit das Traumbild frühreifer Mädchen oder der Inbegriff einer Monster-Sexmaschine? In jedem Fall eine Kunstfigur, die einmal in das Kostüm Tristans schlüpft, dann in das seines Thriller-Kollegen Tom Cilmore. bukolit ist eine literarische Multi-Media-Show aus den Mustern der Werbesprache und Kulturindustrie und Pop-Art der Zeit — von Roy Black über Patrice Lumumba bis zu den Beatles —, versetzt mit Elementen aus antiker Sagenwelt und dem Trivialroman, Trickfilmen, Comics und Horrortrips. Und in der Tradition der Wiener Gruppe ein Text, der seine Vollendung erst findet als hörroman.
»Es handelt sich um einen Sprachstrom über das Paar Bukolit und Bukolita, um Metamorphosen der Ausschweifung und Gewalttätigkeit, um wortdynamische Zynismen, ironische Kommentare, um die Verhöhnung bürgerlicher Zeremonielle und Rituale.«
Alfred Warnes / Wiener Zeitung
»Ein lockerer, flapsiger Collageroman, (…) eine sinnliche, greif- und schmeckbare Sprechsprache, eine erotische Geheimsprache.«
Hans Christian Kosler / Süddeutsche Zeitung
»Die Absurditäten der Jelinek, gezielt produziert aus Trivialliteratur, Alltagsjargon und Medienklischees, sind zwar keineswegs immer verständlich – für den, der sich auf sie einlässt, sind sie aber immer amüsant.«
Sigrid Löffler / Profil
»Was in Elfriede Jelineks hörroman bukolit, diesem Verwirrspiel eines Romans, passiert, ereignet sich fast ausschließlich unter der Gürtellinie.«
Frankfurter Allgemeine Zeitung
»Elfriede Jelineks Erstlingswerk „Bukolit“ als Taschenbuch
1969, zwei Jahre nach dem sagenumwobenen summer of love, sandte eine junge, bis dato unbekannte Autorin ihr erstes Romanmanuskript an einen der großen bundesdeutschen Verlage. Dort geriet es in die Hände eines männlichen Gutachters, der es mit harschen Worten und einem mehr als nur sexistischen Zungenschlag verwarf. „Originell an ihrem kosmischen Sex“, befand er, sei nur, „dass sie das Wort ‚ficken‘ ganz bedenkenlos hinschreibt“. Im Übrigen lasse „ihre Vorliebe für vegetative Monstrositäten, Kannibalen und Mitesser“ ihren „Weiber-Masochismus“ deutlich hervortreten, den sie mit „der Elsner“ teile und für den er eine aparte Erklärung parat hatte: „Weil sie in der Küche nicht mehr und in der Politik noch nicht herumwühlen können, wühlen sie in den eigenen Eingeweiden und in denen anderer Leute herum.“
Nach dieser gutachterlichen Glanzleistung lehnte der Rowohlt-Verlag das Manuskript ab und schickte es der späteren Nobelpreisträgerin retour. Erst ein Jahrzehnt später sollte es dann doch noch die Bühne der literarischen Welt betreten, allerdings nicht bei Rowohlt ― der Verlag hatte zwischenzeitlich immerhin einige andere Manuskripte der Autorin gnädig angenommen ―, sondern im Wiener Rhombus Verlag.
Größeres Aufsehen konnte der Roman nun allerdings nicht mehr erregen. Das lag nicht zuletzt daran, dass die Zeit über seine an der Wiener Gruppe orientierten Sprachexperimente hinweggegangen war ― im vorliegenden Werk etwa der Verzicht auf Interpunktion innerhalb von Sätzen, die durchgängige Kleinschreibung, die willkürlich anmutende Getrennt- und Zusammenschreibung zusammengesetzter Wörter und gelegentlich die grammatikalische Zerstörung von Sätzen. So blieb die Resonanz in den Feuilletons denn auch eher gering. In der „Süddeutschen Zeitung“ äußerte sich Hans Christian Kosler verhalten positiv und erklärte es zu einem „Mißverständnis“, wenn Buchhandlungen die Bücher der Autorin in die „langsam muffig werdende Ecke der Frauenliteratur“ stellten, während der FAZ-Rezensent Hansjörg Graf in dem Roman nicht ganz zu Unrecht ein „Pandämonium von Sexualität und Aggression“ entdeckte.
Heute nimmt sich das Buch wie eine etwas verunglückte Fingerübung der Autorin für ihre späteren Meisterinnenwerke aus. Auch manche ihrer großen Themen klingen hier schon an […]«
Rolf Löcher / literaturkritik.de
Dass im BERLINER TASCHENBUCH VERLAG, der den hörroman erst nach Bekanntwerden des Literatur-Nobelpreises als Lizenz erworben hat, das Buch seit einiger Zeit nicht mehr geführt wird und daher dort im Angebot fehlt, zeugt zwar möglicherweise von kaufmännischer Strategie aber ganz gewiss nicht von Respekt gegenüber der Autorin.
Der RHOMBUS VERLAG bietet das Buch – übrigens die einzige Publikation Elfriede Jelineks, die je in ÖSTERREICH erschienen ist – seit dessen Erscheinen nach wie vor als Leinenband an. So viel zur Haltung von Verlegern und Verlagen.
ISBN 978-3-85450-060-5
»Kinder, die Frau mit der Axt ist da!
Elfriede Jelinek, die dieser Tage 70 wird, hat sich ihren Ruf als Trümmerfrau der heimischen Literatur hart erarbeitet. Die Romane der ehemaligen Klosterschülerin stehen tief in der Tradition des Barock
Mit niemandem ist Elfriede Jelinek so sehr Schlitten gefahren wie mit den Skifahrern. Bereits in „Lust“ (1989) blüht der Protagonistin mit dem Allerweltsnamen Gerti auf den Pisten nichts Gutes. Zu Hause vom Direktorsgatten zum „Einhalten des Ehevertrags“ angehalten, fängt sie sich ein Gspusi mit dem Studenten Michael an, was so schlecht ausgeht, wie das halt oft und bei Jelinek immer der Fall ist – man erinnere sich an „Die Klavierspielerin“ Eva Kohut und an deren „hübschen blonden Burschen (…) Herrn Walter Klemmer“.
Das erotische Interesse des jungen Mannes an Gerti lässt sehr bald sehr stark nach, diese wird am Pistenrand von dessen Freunden lustlos missbraucht: „Ihre Möse wird nur auseinandergefaltet, diese Broschüre kennen wir schon, lachend wieder zusammengeklappt. (…) Weiter drüben, von wo wir die Gerti abgeschleppt haben, jauchzen die Schifahrer immer noch in ihren kleinen Seen aus Bier und Jägertee. Sie strahlen und brüllen. Von der Last ihres Vergnügens ist der Waldboden auch schon ganz angesoffen.“
Ihren bereits 1986 angekündigten Versuch, mit „Lust“ eine Art weiblichen Porno zu schreiben, bezeichnete Jelinek später als gescheitert. Die Aversion gegen den (Ski-)Sport, an der auch ihre offene Bewunderung für Bode Miller („Ein cooler Typ!“) nichts ändert – „Ich verabscheue den Sport. Es gibt da gar keine heimliche Liebe, ich bin eine offen Hassende“ –, bleibt eine Konstante mit vielen Facetten.
Mit „dem sportlichen Volk, das auf den Brettern lebt, die seinen Sarg bedeuten“ und den „Schifahrern auf den Heldenplätzen zujubelt: Karli Schranz! Karli Schranz, der gehört uns ganz“, spielt „Lust“ auf ein Ereignis von nationaler Bedeutung an. Als der damalige IOC-Präsident Avery Brundage (1887–1975) Karl Schranz aufgrund der „Amateurregel“ von der Teilnahme an den Winterspielen in Sapporo ausgeschlossen hatte, stand Österreich Kopf.
Am 8. Februar 1972 wurde der aus Japan heimgekehrte Leider-nein-Olympionike empfangen, als hätte er gleich mehrere Medaillen abgeräumt. Der Weg vom Flughafen Schwechat in die Wiener Innenstadt geriet zum Triumphzug, wo Schranz vom Balkon des Bundeskanzleramts aus die versammelte Menge begrüßte. In Korrespondenz mit einer anderen historischen Heldenplatzszene – Hitler hatte 1938 vom Balkon der Neuen Burg den begeisterten Massen zugewinkt – steht der Moment bei Jelinek exemplarisch für Österreichs Verdrängung und Beschönigung der eigenen Geschichte sowie die ideologische Funktion, die gerade dem Skisport dabei zufiel.
Bevor „Ein Sportstück“ (1998) den Sport als Zurichtungs- und Vernichtungsmaschine anprangern wird – „Wie wollen Sie einem jungen Mann klarmachen, daß er in den Krieg ziehen soll, wenn er vorher keinen Sport getrieben hat?“ –, widmet sich die Autorin aber auch noch einem anderen Basis-Ideologem eines restaurativen Österreichbildes. Just zu einer Zeit, als sich andere an Bruder Baum ketten, um den Wald zu retten – im Dezember 1984 findet die Besetzung der Hainburger Au statt, 1986 ziehen die Grünen, damals noch unter dem Namen Die Grüne Alternative erstmals ins Parlament ein –, lässt Jelinek ihre sprachkritische Axt krachen: „Die Managerin bedauert das Waldsterben mehr als du und ich. Sie hat ja auch mehr vom Wald als der Betriebsame, der mehr vom Betriebssport hat. Jedem das Kleine.“
In „Oh Wildnis, oh Schutz vor ihr“ (1985), einem Buch, das vom Genre her schlicht als „Prosa“ ausgewiesen ist, treibt die Autorin voran, was sie von jeher umtreibt: das Durchdeklinieren von Macht- und Abhängigkeitsverhältnissen mittels einer Arbeit an der Sprache, die in der Tradition der Wiener Gruppe steht. Das stellt – wie fast alle Anstrengung der Schriftstellerin Jelinek – ein paradoxes Unterfangen dar: Eigentliches wird angestrebt mit den Mitteln der Uneigentlichkeit. Die Autorin, deren Sprache zwar leicht zu identifizieren ist – „typisch Jelinek!“ –, deren Diskurscollagen und Stilkollisionen aber keinen Personalstil im herkömmlichen Sinne konstituieren, watet durch den ganzen Sprachschutt ja nur, weil es ihr um Wahrheit zu tun ist, auch wenn es kein wahrhaftiges Reden gibt in ihrem Werk.
„Noch der letzte Kalauer enthält, wenn man Glück hat, mehr Wahrheit als manches andere“, artikulierte Jelinek in einem Falter-Interview ein überraschendes Vertrauen in die Sprache, die bei richtigem Gebrauch auf geradezu magische Weise und buchstäblich buchstäblich die Wahrheit preisgebe: „Eine Kollegin hat seinerzeit aus Aussprüchen von Kurt Waldheim Anagramme gemacht, und egal, wie sie die Wörter geschüttelt hat, es blieben immer die Buchstaben SA und SS über. Das ist für mich der Beweis, dass die Sprache selber sprechen kann.“
Aus der naturholden Betulichkeit macht die Dichterin Kleinholz, denn die Natur ist ihr nicht geheuer, sie ist ein Ungeheuer, weswegen es auch den von Berufs wegen Forstkundigen gruselt, wenn der Wald, den wer auch immer so hoch da droben hat aufgebaut, in Jelineks Hauptwerk „Die Kinder der Toten“ (1995) einmal wieder runter will: „Der Förster duckt den Nacken in den Kragen, eine unbeschreibliche, ich wollte schreiben: unbestimmte, noch nicht oft benutzte Furcht (…) hat ihn beim grünen Krawattl gepackt. (…) Ja, da hat ihm einer glatt das Fell des zahmen Waldes, der plötzlich zu einem wilden Untier geworden ist, über Nacken und Schultern geworfen, damit er, der Förster allein, dieses gigantische Gewicht aufhalten soll. Na, das ist ganz schön viel verlangt.“
Sigmund Freud definiert das Unheimliche, das etymologisch ja mit dem „Heimeligen“, also dem zum Heime Gehörigen verwandt ist, als „jene Art des Schreckhaften, welche auf das Altbekannte, Längstvertraute zurückgeht“. Insofern ist es nur konsequent, wenn die geborene Mürzzuschlagerin Heimat- und Schauerroman fusioniert und die Landschaft ihrer Kindheit zum Schauplatz ihres Horror-Epos „Die Kinder der Toten“ gemacht hat.
Auch dort haben die Skifahrer nichts zu lachen. Edgar Gstranz, einer von drei handlungstragenden Untoten, ist lautlich eine Fusionierung aus Gstrein (dem Skifahrer Bernhard, nicht dem Schriftstellerbruder Norbert) und Schranz, darüber hinaus aber auch mit dem Schicksal des mehrfachen Weltmeisters und Olympiasiegers Rudi Nierlich bedacht, der 1991 verunglückte, als ihn „die Räder seines PKWs“, wie’s im Roman heißt, „mit dem Kopf voran vorläufig an einer Hausmauer abgestellt [haben]“. Um nichts pietätvoller die Schilderung von Ulrike Maiers tödlichem Sturz vom 29. Jänner 1994 in Garmisch-Partenkirchen: „Die Ulli hat sich an einem Zeitnehmungsstab (…) das Genick gebrochen und die Arterien zum Hirn zerrissen, oh, das tut mir jetzt leid für die Ulli, sagt die Fernseh-Sprecherin zu uns (…).“
Zeithistorische Referenzen und tagesaktuelle Bezüge sind bei Jelinek stets eingebettet in eine sehr grundlegende anthropologische Skepsis, die auch für viele Linke ein rotes Tuch ist (so hat etwa Karl-Markus Gauß die „Kinder der Toten“ als unpolitisch und ahistorisch kritisiert). Ein „neuer Mensch“ im Sinne des Sozialismus ist bei Jelinek weit und breit nicht in Sicht.
Man muss die ehemalige Klosterschülerin als durch und durch barocke Dichterin begreifen, dem Katholischen verbunden wie ansonsten nur noch ihr Landsmann Josef Winkler. Das betrifft nicht nur die Ornamentierungs- und Bebilderungslust der überbordenden Sprache, sondern auch die von Walter Benjamin im „Ursprung des deutschen Trauerspiels“ konstatierte „Immanenz des Barockdramas“, die „ohne Ausblick auf das Jenseits der Mysterien“ bleibe: „Es gibt keine barocke Eschatologie; und eben darum einen Mechanismus, der alles Erdgeborene häuft und exaltiert, bevor es sich dem Ende überliefert.“
Aufhäufen, Exaltieren und dem Ende Überliefern – damit sind die Tätigkeiten der Dichterin Elfriede Jelinek einigermaßen gut umrissen. Auch wenn sie der „Lust“ noch die Todsünden-Romane „Gier“ (2000) und den nur im Netz publizierten „Neid“ (2007–2008) nachschob, bleibt „Superbia“, der Hochmut und die Eitelkeit also, ihre Lieblingssünde. Die eigene Sterblichkeit ist die ultimative narzisstische Kränkung, und die Vorstellung davon, für die in unserem Unbewussten laut Freud kein Platz ist, wird von der Dichterin permanent aufgerufen: „Man lebt also wirklich nur einmal, das hätte ich nicht von uns gedacht.“
Solch schnoddriger Sarkasmus schmiegt sich skandalöserweise der Rhetorik des Aggressors an. Einer identifikatorischen Lektüre wird so der Boden entzogen, weswegen man sich gegen die Zumutungen dieser Literatur auch wehren muss, will man nicht versinken im Sumpf der (Selbst-)Verachtung, der einem hier ständig um die Knöchel schwappt.
Sich selbst verschont die Jelinek dabei übrigens am allerwenigsten. Frei nach Woody Allens grausamem Gag aus „Take the Money and Run“, wo er die Arbeit seiner Peiniger erledigt und – „ich mach’s schon selbst!“ – die eigenen Brillen zertritt, nimmt diese Diva der Selbstentmächtigung, die ihre „Stücke“ den Regielöwen wie einen blutigen Klumpen Fleisch vor die Füße wirft, einen landläufigen Spruch wortwörtlich: „Verarschen kann ich mich selber.“ Und wehe, jemand nimmt ihr diese Arbeit ab – dann wird sie wirklich sauer.«
Klaus Nüchtern / Der Falter 41/2016
90 Seiten, Leinenband, 2. Auflage
ISBN 978-3-85394-023-4
€ 36,80
Autor | Elfriede Jelinek |
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Verlag | RHOMBUS VERLAG |
ISBN | 978-3-85394-023-4 |
Seiten | 90 |