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Wir vom Stehplatz , , , ,

Für mich ist der Stehplatz das Herz des Hauses. Nirgendwo sonst in der Welt findet man so viele Menschen, die so unterschiedlich in ihren Interessen, Zuneigungen, Motivationen sind – und die doch eine derartig große Liebe und Begeisterung eint. Auf unserem Stehplatz finden sich Junge und Ältere ein, Neulinge und solche, die seit Jahrzehnten ihren Stammplatz haben. Jene, die dreimal in der Woche kommen und jene, die dreimal im Monat das Haus besuchen. Es gibt wohlhabende Besucher, die sich teure Sitzplätze leisten könnten, aber in die spezielle Atmosphäre eintauchen wollen. Dann gibt es jene, die ausschließlich der Stimmen halber kommen, andere, für die nur die Inszenierung zählt oder jene, die den Dirigenten im Auge behalten wollen. Musikstudenten, Opernliebhaber, Fachleute, Genießer, Fans, sie alle besuchen unseren Stehplatz. Ich finde das einfach großartig: diese Hingabe an das Musiktheater, an die Künstler, die Werke, das Haus! Gleichzeitig besteht aber auch nirgendwo in der Welt die Gelegenheit, so günstige Karten für so gute Plätze erwerben zu können – und das war auch der Grund, warum ich mich stets dafür stark gemacht habe, die Preise für die Stammbesucherinnen und -besucher niedrig zu halten. (…)

Es gibt hunderte Geschichten dieser Art, und jede erzählt einzigartig von einer einzigartigen Liebe. Und darum habe ich in unserem Monatsmagazin eine Serie gestartet, in der ehemalige und aktuelle „Stehplatzler“ von ihren Erlebnissen erzählen: ein Fundus an Operngeschichte und Operngeschichterln! In dem vorliegenden Buch haben wir diese Erlebnisse nun alle zusammengetragen, von Otto Schenk bis Elīna Garanča, von Clemens Hellsberg bis Zubin Mehta. Sie alle erzählen von einer besonderen Welt, sie alle ergreifen das Wort.

Und das Wort des Stehplatzes ist für mich stets ein wichtiges.

Prolog Dominique Meyer

»Sie waren eine eigene Species, eine Unterart des Homo sapiens sapiens sozusagen, die sogenannten Stehplatzler der Wiener Staatsoper – zumindest hielten sie sich selbst dafür und wurden wohl auch von vielen Außenstehenden, die mit ihnen in Berührung kamen, für eine solche gehalten. Was eigentlich weniger mit den gebäudetechnischen Besonderheiten oder den beinahe sportlichen Anforderungen ihres liebsten Aufenthaltsorts zu tun hatte, Stehplätze gibt es auch in anderen Opernhäusern weltweit. Viel eher war es die Tatsache, dass sie sich zwar wie andere Menschen auch von gebräuchlichen Lebensmitteln ernährten, aber von ihrer Begeisterung für die Oper und ihrer Liebe zu deren Interpreten lebten und ihr ganzes Leben danach ausrichteten.

Was dies konkret bedeutet, illustriert der Band „Wir vom Stehplatz“, der auf 317 Seiten die einschlägigen Erinnerungen von über 70 „Exemplaren“ dieser Species enthält, die zusammen genommen ein vielfältiges Bild der Welt der Wiener Oper vom Zweiten Weltkrieg über die Zeit im Ausweichquartier im Theater an der Wien bis (fast) zum heutigen Tag zeichnen. Was die betreffenden Stehplatzler erzählen, ist meist weniger Bericht als Bekenntnis und könnte auch so manchem Heutigen, der danach fragt, wie man die Jugend für die Oper begeistern kann, schlüssige Antworten bieten. Das „Wir“, das den Titel in Großbuchstaben eröffnet, ist dabei durchaus programmatisch zu verstehen, insofern bei der Lektüre der einzelnen Porträts klar wird, wie sehr die Leidenschaft für die Oper zusammenschweißt, sei es in der gemeinsamen Verehrung für den- oder diejenigen, die man für die Größten hält, aber auch in der (ebenfalls gemeinsamen) Bereitschaft, sich in heftige Auseinandersetzungen mit Angehörigen der jeweils „anderen Fraktion“ zu begeben. Was allerdings insgesamt an der natürlich keineswegs repräsentativen Auswahl der Interviewten beeindruckt: man möchte beinahe den Eindruck gewinnen, dass der Besuch des Stehplatzes der Wiener Staatsoper seinerzeit gewissermaßen die gesellschaftliche Voraussetzung dargestellt hat für einen Aufstieg in die wichtigsten Positionen in Politik, Kunst und Wirtschaft. So prominent liest sich das Who is Who der aufgebotenen „Zeitzeugen“, von Korinek (ehem. Präsident des Verfassungsgerichtshofs) bis Kürsten (HNO-Arzt der Weltstars), von Schneider (unvergessener Wagner-Dirigent) bis Schindel (Autor), von Springer (ehem. Generaldirektor der Bundestheater) bis Hellsberg (ehem. Vorstand der Wiener Philharmoniker), von Garanca, Biezcala, Nylund, Zednik … ganz zu schweigen.

Die ganz große Besonderheit stellt aber die bloße Existenz des Buches an sich dar, das 2019 veröffentlicht und nun vom umtriebigen Wiener Verlag Der Apfel in Absprache mit der Wiener Staatsoper wieder vertrieben wird: denn wo auf der Welt beschäftigt sich eine kulturelle Institution, noch dazu in recht aufwändiger Aufmachung, mit zahlreichen Abbildungen in Farbe, mit den Lebenserinnerung ihres Publikums, dessen Repräsentanten vielleicht heute in gehobener Position stehen, zum Zeitpunkt ihrer Erlebnisse am Wiener Opernstehplatz aber Schüler, Studenten etc. gewesen sind?

Ein singuläres Buch also, das sich auch aufgrund der Kürze seiner Kapitel als kurzweilige Lektüre für Opernfreunde empfiehlt. Das aber auf seine Weise auch ein gehöriges Maß an Melancholie verströmt, da es eine Wiener Institution porträtiert, die es schon zur Zeit seiner Entstehung, noch viel mehr aber heute in der Form nicht mehr gibt und von wenigen Ausnahmen abgesehen zu einer irritierenden Tourismus-Location für Schaulustige im schlimmsten Sinn des Wortes mutiert ist (die Gründe dafür sind vielfältig). So wird auch der Kreis derer, denen die prominenten Persönlichkeiten noch etwas sagen, nicht allzu groß sein und auch unaufhaltsam kleiner werden. Umso mehr sei diesen (nicht wenige werden sich, wie der Rezensent auch, selbst vom „Wir“ des Wiener Stehplatzes angesprochen fühlen) der Band ans Herz gelegt.«

Valentino Hribernig-Körber / Der Neue Merker

317 Seiten, Hardcover, 71 Farb-Abbildungen

 24,80

Product ID: 807 Kategorien: , , , ,
Reihe

EDITION WIENER STAATSOPER im Verlag Der Apfel, EWS-14

Seiten

317

ISBN

978-3-85450-384-2

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